Sonntag, 1. Juli 2018

Ein heisser Tag im Tessin

Es war wieder mal ein heisser Tag im Tessin und meine Nachbarin und ich schlenderten durch die Gassen von Ascona. Nach einem etwas gewöhnungsbedürftigen Frühstück



beschlossen wir uns ein wenig Abkühlung im Verzasca Tal zu verschaffen. Im malerischen Dorf Sonogno besuchten wir das örtliche Museum und tauchten in eine tragische Epoche von diesem Tal ein.



Thema Museum Sonogno

Die schwarzen Brüdern waren die Knaben, die einst die schmalen Kamine im Piemont und der Lombardei fegten, um damit Geld für ihre Familien im verarmten Valle Verzasca zu verdienen. 



Die 8- bis 12-jährigen Buben waren von den Padroni, den Kaminfegern, deshalb begehrt, weil sie klein und schmal waren und deshalb die engen Kamine hochklettern und putzen konnten. Waren sie oben angelangt, mussten sie «Spazzacamini» rufen, um zu beweisen, dass sie tatsächlich die dunklen, stickigen Kamine hochgeklettert waren.
Die Arbeitsbedingungen waren katastrophal. Zu Essen hatten sie oft nichts und mussten um ein Stück Brot betteln gehen. Schlafen mussten sie in Ställen. Ihr Vedienst war mickrig.
Verdingt wurden die Buben im Winter, damit am Familientisch zu Hause in den Tessiner Tälern ein Maul weniger zu stopfen war. Damals herrschte im Tessin teilweise bittere Armut und in den Wintermonaten Hunger. Viele Kinder kamen vom Verzascatal, vom Centovalli und auch aus dem italienischen Val Vigezzo, der Verlängerung des Centovalli.
Jedes Jahr im Herbst treffen sich im Val Vigezzo Kaminfeger aus der ganzen Welt; im Andenken an die Kaminfeger-Kindersklaven.
Im Roman geht Giorgios Geschichte am Ende gut aus. Er wird von einem wohltätigen Arzt in sein Haus aufgenommen und kehrt Jahre später als Lehrer nach Sonogno zurück.
In Wirklichkeit starben viele der jungen Kaminfeger, noch ehe es Frühling wurde. Völlig unzureichend ernährt und gekleidet erkrankten sie, der Russ schlug ihnen auf die Lunge, oft hatten sie keine Unterkunft und mussten im Freien übernachten, wurden misshandelt oder verunglückten, ohne dass man einen Arzt für sie gerufen hätte. Weil sie als Glücksbringer galten, baten die Reichen die Kaminfeger am Neujahrstag an ihre Tafel, wo sie sich dann wegen ihrer schmutzigen Lumpen schämten und man ihnen üppige Speisen vorsetzte, die ihre Mägen nicht vertrugen.

Wie sie dort so lebten






Das Museum Sonogno thematisiert diese tragische Epoche genauso, wie es die verschiedenen Facetten des Lebens im Tal in vergangenen Zeiten darstellt. Die landwirtschaftliche Tätigkeit und das Hirtenleben sind ein Bereich der Ausstellung, das Wohnen und das Schulwesen ist ebenfalls mit viel Liebe dargestellt. 




Das Museum befindet sich in der Casa Genardini am Dorfplatz. Es ist bis Ende Oktober täglich von 13 bis 17 Uhr geöffnet, der Eintrittspreis für Erwachsene beträgt CHF 5.-, Kinder bis 6 Jahre bezahlen keinen Eintritt, Kinder von 6 bis 14 Jahre CHF 1.-. 

Nach dem Museum ab ins kühle Grotto




An einem heissen Sommertag ist dies eine gute Alternative für eine kleine Abkühlung.
Nach dem Museums Besuch ist ein kleiner Spaziergang ins Grotto Efra zu empfehlen (Fussweg ca. 15 Minuten). Unter den schönen schattigen Bäumen kann man die Seele bei einem üppigen Appero baumeln lassen. Von dort aus lohnt sich auch ein Besuch zum Wasserfall Frodo, aber das ist eine andere Geschichte.